Verfasst am
16
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September
2018

Was du vor deinem Berlin-Besuch wissen solltest

Bildquelle: Florian Wehde

Berlin – Techno-Hauptstadt und queere Metropole, Spielwiese für kosmopolitische Entdecker und stylische Urbanwelt im Herz Europas. Du freust dich riesig auf deine erste Reise in die deutsche Hauptstadt, bist bis zum Rand gefüllt mit Erwartungen für aufregende, wilde, unvergessliche Tage in einer der coolsten Städte der Welt? Gut so, deine Vorfreude ist berechtigt. Doch aufgepasst: eine ganze Menge kann schiefgehen hier, denn nicht alles läuft in Berlin so, wie du es von zuhause kennst. Damit deine Erwartungen aufgrund unangenehmer aber vermeidbarer Situationen nicht unerfüllt bleiben, hier ein paar Dinge, die du vor deinem ersten Berlin-Besuch wissen solltest:

Cash is King

Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Für alles andere – gibt’s Bargeld. Deine Kreditkarte kannst Du nämlich getrost im Geldbeutel lassen, akzeptiert wird sie sowieso so gut wie nirgends. Und selbst wenn, gibt es meist einen Mindestbetrag von 10€ oder mehr. Während es vielerorts mittlerweile Standard ist, selbst klitzekleine Einkäufe einfach mit einer schnellen Bewegung der Visa oder Mastercard abzuwickeln, sorgt eine Mischung aus gesteigerter Selbstkontrolle, Angst vor Datendiebstahl und dem Misstrauen gegenüber großen Konzernen dafür, dass in der Hauptstadt meist noch immer gilt: Nur Bares ist Wahres. In Zeiten von Big Data und Datenschutzskandalen wahrscheinlich sogar sehr sinnvoll. Für dich als Reisender gilt: immer genug Cash dabei haben!

Du sollst den Feiertag heiligen

Clubs, die nicht vor Mitternacht öffnen, Kneipen, die 24/7 ausschenken, öffentlicher Nahverkehr auch mitten in der Nacht – man sollte meinen, in Berlin ist alles immer verfügbar. Falsch gedacht, denn auch wenn das mit der Moral in Berlin immer so eine Sache ist, ein Gebot ist hier so heilig wie sonst nichts: Sonntag ist der Laden zu! Egal ob Supermarkt oder Klamottengeschäft, am Tag des Herrn geht hier gar nichts. Weil an Feiertagen dasselbe gilt, entstehen vor langen Wochenenden oft apokalyptische Szenen in den Lebensmittelgeschäften. Wer am Samstagabend seine Einkäufe nicht beisammen hat, muss am Sonntag elendig verhungern und verdursten. Wobei – für letzteres gibt es immerhin die Spätis.

Pfand gehört daneben

Deutschland ist das Land der großen Ideen: Aufklärung, Humanismus, Flaschenpfand. Als Recycling-Weltmeister verbringt der Durchschnittsdeutsche gefühlt ein Drittel seiner Lebenszeit damit, Müll nach Aussehen, Geruch, Größe, Material und Herkunftsort zu sortieren. Zu allem Überfluss gibt es noch ein Pfandsystem für Getränkeflaschen, für dessen korrekte Einhaltung man zumindest ein Masterstudium an der Harvard University abgeschlossen haben muss. Plastikflasche mit Wasser drin: Pfand. Plastikflasche mit Saft drin: kein Pfand. Bierflasche aus Glas: Pfand. Weinflasche aus Glas: kein Pfand. Alles logisch, oder? Eine Nebenerscheinung des umweltfreundlichen Verwertungskreislaufs sind Flaschensammler: Einkommensschwache oder obdachlose Menschen, die sich durch das Sammeln von Pfandflaschen etwas dazu verdienen. Daher gehört es zum guten Ton, Pfandflaschen neben den Mülleimer zu stellen, damit sie leichter eingesammelt werden können. Wenn du also eine Pfandflasche in einen öffentlichen Mülleimer wirfst, brauchst du dich über missbilligende Blicke nicht wundern: Du machst einem anderen das Leben schwerer. Also: Pfand gehört daneben!

Kann ick mal uff dein’ Fahrschein kieken?

Ach, der öffentliche Berliner Nahverkehr. Eine Betreibergesellschaft, die aus ihrer eigenen Unfähigkeit eine Werbekampagne macht, Bauarbeiten und Schienenersatzverkehr als Dauerzustand und in der Praxis ein Biotop für besoffene Schläger-Typen und kollektiven Körpergeruch. Trotzdem geht ohne die “Öffis” gar nichts in der Hauptstadt und auch du wirst das schnelle, praktische Transportsystem sicher vielfach nutzen. Die wichtigste Regel dabei ist nicht: Es gibt einen Grund warum die U-Bahn randvoll, dieser eine Waggon aber fast komplett leer ist. Nein, die wichtigste Regel heißt: Ticket kaufen! Fahrkartenautomaten stehen an jedem Bahngleis, statt Drehkreuzen gibt es regelmäßige Ticketkontrollen durch Orks aus den Tiefen Mordors. Wer ohne gültigen Fahrschein unterwegs ist zahlt pauschal 60€ Strafe, bei wiederholtem Verstoß kannst du sogar eingebuchtet werden – zu Hochzeiten machten Schwarzfahrer bis zu einem Drittel aller Gefängnisinsassen in Berlin aus. Ob das sinnvoll ist? Eine andere Frage. Sicher ist: Ticket kaufen.

Wenn’s klingelt, stehst Du wahrscheinlich im Weg

Es gibt Fahrradstädte, die heißen so, weil sie besonders fahrradfreundlich sind, so wie etwa Kopenhagen. Und dann gibt es Fahrradstädte, wo alle Fahrrad fahren und die öffentliche Planung trotzdem so tut, als ob es sie nicht gäbe. Das wäre dann die Fahrrad-Hölle Berlin. Über 70% der Berliner besitzen einen Drahtesel, rund eine halbe Million treten sogar tagtäglich in die Pedale. Dabei ist das Netz an Radwegen schlecht ausgebaut, viele befinden sich in einem desolaten Zustand und auf großen Kreuzungen sind Fahrradfahrer oft so sicher aufgehoben wie ein Rehkitz im Löwengehege. Dass mehr Fahrradmobilität in Zeiten von Klimakatastrophe und überfüllten Städten die beste Lösung darstellt, ist der Politik und ihrer besten Freundin, der deutschen Autolobby, seit jahren erfolgreich egal, daher müssen Fahrradfahrer um das bisschen Platz im Stadtverkehr mühsam kämpfen. Wer da blöd auf den deutlich erkennbaren Fahrradwegen herumsteht oder seinen Spaziergang unbedingt auf der Radweg machen muss, zieht sich verständlicherweise den Zorn der Radler zu. Deshalb: Fahrradwege freihalten und immer schön auf Radfahrer achten – und das Auto am Besten gar nicht erst mit in die Stadt bringen, davon gibt es eh schon viel zu viele.

Paparazzi unerwünscht

Egal ob queere Lebenswelten oder alternative Subkulturen, friedliche Druffis auf dem Nachhauseweg oder Leder-Uschis in Vorfreude auf die Fetischparty – Berlin ermöglicht vielen Menschen die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, die ihnen anderswo verwehrt bleibt. Das friedliche und oft ausgelassene Zusammenleben verschiedenster Lebensstile und Kulturen ist schön anzusehen – und passt natürlich super zu deinem Traveller-Insta-Kanal. Dennoch: Tu allen hier einen Gefallen und lass die Kamera öfter mal in der Tasche. Die Ausgelassenheit und der Freimut der Menschen hier liegt gerade auch in der Sicherheit begründet, dass es im Moment geschieht – und nicht für alle Ewigkeit im Internet abgerufen werden kann. Wer sich selbst ausprobiert, mit Lebensstilen und Bewusstseinserweiterung experimentiert, will verständlicherweise nicht unbedingt, dass ein ausgelassener Sommerabend in Kreuzberg für alle sichtbar auf Instagram landet. Überlege deshalb bitte zweimal, wen du fotografierst und hole dir immer das Einverständnis der fotografierten Person. Und wenn irgendwo das Fotografieren verboten ist, dann halte dich auch daran – es ist auch für deine Freiheit.

Sei kein Idiot

Auf den ersten Blick wirken die Berliner mitunter etwas ruppig bis unfreundlich, und die ganz große Freiheit und Vielfalt der Lebensstile und Freizeitaktivitäten legt schnell den Verdacht nahe, dass hier jeder tun und lassen kann, wie ihm beliebt. Das mag zu einem gewissen Punkt auch stimmen, dennoch (oder gerade deshalb) haben viele Menschen hier einen sehr starken Wertekodex. Was das für dich heißt: Habe Spaß hier, entdecke die Stadt und dich selbst, aber benimm dich nicht wie ein Idiot. Mach dir immer bewusst: in dem Haus, an dessen Wand du gerade pisst, wohnt eine Familie mit kleinen Kindern. Die Eingangstür, vor die du gerade kotzt, gehört zu mehreren Dutzend Wohnungen. Den Döner, den du gerade mit entsprechenden Kollateralschäden in der U-Bahn verputzt, haben jetzt alle in der Nase. Denke immer daran, dass in dieser Stadt Menschen leben; und zwar die Menschen, die die Stadt so spannend und cool gemacht haben, wie du sie jetzt vorfindest. Nimm deshalb Rücksicht auf die Einheimischen, hinterlass keinen unnötigen Dreck und Müll und gehe freundlich auf die Leute zu – und ihnen nicht auf die Nerven. Deutsche Touristen benehmen sich in vielen Ländern der Welt wie die Axt im Wald – mach du es besser und sei ein guter Gast in dieser Stadt.

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